Brüssel IIb Verordnung (EU) Nr. 2019/1111
Brüssel IIb
Verordnung (EU) Nr. 2019/1111
DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION -
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 81 Absatz 3,
auf Vorschlag der Europäischen Kommission,
nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,
nach den Stellungnahmen des Europäischen Parlaments,
nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses,
gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren,
- in Erwägung nachstehender Gründe:
- (1)Die Kommission hat am 15. April 2014 einen Bericht über die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates angenommen. Darin wurde festgestellt, dass die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 zwar ein gut funktionierendes Instrument und mit einem deutlichen Nutzen für die Bürger verbunden ist, die geltenden Vorschriften aber verbessert werden könnten. Eine Reihe von Änderungen müssen an der Verordnung vorgenommen werden. Aus Gründen der Klarheit sollte eine Neufassung jener Verordnung erstellt werden.
- (2)Mit dieser Verordnung werden einheitliche Zuständigkeitsregeln für die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und die Ungültigerklärung einer Ehe sowie für grenzüberschreitende Streitigkeiten über die elterliche Verantwortung festgelegt. Sie erleichtert den Verkehr von Entscheidungen sowie von öffentlichen Urkunden und bestimmten Vereinbarungen in der Union, indem sie Bestimmungen über deren Anerkennung und Vollstreckung in anderen Mitgliedstaaten festlegt. Ferner präzisiert diese Verordnung das Recht des Kindes, in Verfahren, von denen es betroffen ist, die Gelegenheit zur Meinungsäußerung zu erhalten, und sie enthält einige Bestimmungen zur Ergänzung des Haager Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (im Folgenden Haager Übereinkommen von 1980) in den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten. Daher sollte diese Verordnung dazu beitragen, die Rechtssicherheit zu stärken und die Flexibilität zu erhöhen, den Zugang zu Gerichtsverfahren zu verbessern und effizientere Verfahren zu gewährleisten.
- (3)Das reibungslose und ordnungsgemäße Funktionieren der Union als Raum des Rechts, in dem die unterschiedlichen Rechtssysteme und -traditionen geachtet werden, ist für die Union von entscheidender Bedeutung. In dieser Hinsicht sollte das gegenseitige Vertrauen in die jeweiligen Rechtssysteme weiter ausgebaut werden. Die Union hat sich die Schaffung, Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zum Ziel gesetzt, in dem der freie Personenverkehr und der Zugang zur Justiz gewährleistet sind. Zur Verwirklichung dieses Ziels sollten die Rechte von Personen, insbesondere Kindern, in rechtlichen Verfahren gestärkt werden, um die Zusammenarbeit zwischen Justiz- und Verwaltungsbehörden sowie die Vollstreckung von Entscheidungen in Familiensachen mit grenzüberschreitendem Bezug zu erleichtern. Die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen in Zivilsachen sollte verstärkt, der Zugang zur Justiz vereinfacht und der Informationsaustausch zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten verbessert werden.
- (4)Hierzu erlässt die Union unter anderem Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen mit grenzüberschreitendem Bezug, insbesondere wenn diese für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich sind. Der Begriff Zivilsachen sollte im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden Gerichtshof) autonom ausgelegt werden. Er sollte als autonomer Begriff angesehen werden, bei dessen Auslegung erstens die Ziele und die Systematik dieser Verordnung und zweitens die allgemeinen Rechtsgrundsätze, die sich aus der Gesamtheit der nationalen Rechtsordnungen ergeben, berücksichtigt werden müssen. Der Begriff Zivilsachen sollte daher dahingehend ausgelegt werden, dass er auch Maßnahmen umfassen kann, die in der Rechtsordnung eines Mitgliedstaats möglicherweise dem öffentlichen Recht unterliegen. Er sollte insbesondere alle Anträge, Maßnahmen oder Entscheidungen in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung im Sinne dieser Verordnung gemäß ihrer Ziele abdecken.
- (5)Diese Verordnung umfasst Zivilsachen, wobei dieser Begriff zivilgerichtliche Verfahren und die sich daraus ergebenden Entscheidungen sowie öffentliche Urkunden und bestimmte außergerichtliche Vereinbarungen in Ehesachen und in Sachen der elterlichen Verantwortung einschließt. Darüber hinaus sollte der Begriff Zivilsachen Anträge, Maßnahmen oder Entscheidungen sowie öffentliche Urkunden und bestimmte außergerichtliche Vereinbarungen über die Rückgabe eines Kindes nach dem Haager Übereinkommen von 1980 umfassen, die entsprechend der Rechtsprechung des Gerichtshofs und im Einklang mit Artikel 19 des Haager Übereinkommens von 1980 keine Hauptsacheverfahren betreffend die elterliche Verantwortung darstellen, mit diesen aber eng verbunden sind und von bestimmten Vorschriften dieser Verordnung erfasst werden.
- (6)Zur Erleichterung des Verkehrs von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung sowie von öffentlichen Urkunden und bestimmten Vereinbarungen in Ehesachen und in Sachen der elterlichen Verantwortung ist es notwendig und angemessen, dass die Vorschriften über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen durch ein Rechtsinstrument auf Unionsebene geregelt werden, das verbindlich ist und unmittelbar gilt.
- (7)Um die Gleichbehandlung aller Kinder sicherzustellen, sollte diese Verordnung für alle Entscheidungen über die elterliche Verantwortung gelten, einschließlich der Maßnahmen zum Schutz des Kindes, ohne Rücksicht darauf, ob eine Verbindung zu Verfahren in Ehesachen oder anderen Verfahren besteht.
- (8)Da die Anwendung der Vorschriften über die elterliche Verantwortung in Ehesachen häufig zum Tragen kommt, empfiehlt es sich jedoch, Ehesachen und die elterliche Verantwortung in einem einzigen Rechtsakt zu regeln.
- (9)Bezüglich Entscheidungen über die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe sollte diese Verordnung nur für die Auflösung einer Ehe gelten. Sie sollte nicht für Fragen wie die Scheidungsgründe, das Ehegüterrecht oder sonstige mögliche Nebenaspekte gelten. Entscheidungen über die Verweigerung der Auflösung des Ehebandes sollten nicht unter die die Anerkennung betreffenden Bestimmungen dieser Verordnung fallen.
- (10)Bezüglich des Vermögens des Kindes sollte diese Verordnung nur für Maßnahmen zum Schutz des Kindes gelten, und zwar für die Bestimmung und den Aufgabenbereich einer Person oder Stelle, die damit betraut ist, das Vermögen des Kindes zu verwalten, das Kind zu vertreten und ihm beizustehen, und für Maßnahmen bezüglich der Verwaltung und Erhaltung des Vermögens des Kindes oder der Verfügung darüber. In diesem Zusammenhang sollte diese Verordnung beispielsweise für die Fälle gelten, in denen Gegenstand des Verfahrens die Bestimmung einer Person oder Stelle ist, die das Vermögen des Kindes verwaltet. Das Vermögen des Kindes betreffende Maßnahmen, die nicht den Schutz des Kindes betreffen, sollten weiterhin unter die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates fallen. Die Anwendung der Bestimmungen der vorliegenden Verordnung über die Zuständigkeit in Vorfragen sollte in diesen Fällen jedoch möglich sein.
- (11)Jede Art von Unterbringung eines Kindes in Pflege, also bei einer oder mehreren Privatpersonen gemäß den nationalen Rechtsvorschriften und Verfahren, oder in einem Heim, beispielsweise in einem Waisenhaus oder in einem Kinderheim, in einem anderen Mitgliedstaat sollte in den Geltungsbereich dieser Verordnung fallen, wenn sie nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist, wie dies zum Beispiel bei der Unterbringung im Hinblick auf eine Adoption, der Unterbringung bei einem Elternteil oder gegebenenfalls bei einem anderen nahen Verwandten gemäß der Erklärung des Aufnahmemitgliedstaats der Fall ist. Infolgedessen sollten Unterbringungen aus erzieherischen Gründen, die von einem Gericht angeordnet oder von einer zuständigen Behörde mit Zustimmung oder auf Antrag der Eltern oder des Kindes infolge eines Problemverhaltens des Kindes veranlasst werden, einbezogen sein. Ausgeschlossen sein sollte nur eine Unterbringung aus erzieherischen Gründen oder als Strafmaßnahme, die aufgrund einer Handlung des Kindes angeordnet oder veranlasst wurde, die, wenn sie von einem Erwachsenen begangen worden wäre, nach nationalem Strafrecht als strafbare Handlung eingestuft werden könnte, unabhängig davon, ob dies im speziellen Fall zu einer Verurteilung führen könnte.
- (12)Diese Verordnung sollte weder für die Feststellung des Eltern-Kind-Verhältnisses, da es sich dabei um eine von der Übertragung der elterlichen Verantwortung gesonderte Frage handelt, noch für sonstige Fragen im Zusammenhang mit dem Personenstand gelten.
- (13)Unterhaltspflichten sind vom Anwendungsbereich der vorliegenden Verordnung ausgenommen, da diese Pflichten bereits durch die Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates geregelt werden. Neben den Gerichten für den Ort, an dem der Antragsgegner oder die berechtigte Person seinen/ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, sollten die nach der vorliegenden Verordnung für Ehesachen zuständigen Gerichte in Anwendung des Artikels 3 Buchstabe c der genannten Verordnung in der Regel in Nebensachen für Entscheidungen in ehelichen oder nachehelichen Unterhaltssachen zuständig sein. Die nach der vorliegenden Verordnung für Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung zuständigen Gerichte sind in Anwendung des Artikels 3 Buchstabe d der genannten Verordnung in der Regel in Nebensachen für Entscheidungen in Kindesunterhaltssachen zuständig.
- (14)Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sollte der Begriff Gericht so weit aufgefasst werden, dass er auch Verwaltungsbehörden oder andere Behörden wie Notare einschließt, die in bestimmten Ehesachen oder Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung die Zuständigkeit wahrnehmen. Jede vom Gericht nach einer Prüfung in der Sache nach dem nationalen Recht und nach dem nationalen Verfahren gebilligte Vereinbarung sollte als Entscheidung anerkannt oder vollstreckt werden. Anderen Vereinbarungen, die im Ursprungsmitgliedstaat nach dem förmlichen Tätigwerden einer Behörde oder einer anderen von einem Mitgliedstaat für diesen Zweck der Kommission mitgeteilten Stelle verbindliche Rechtswirkung erlangen, sollte in anderen Mitgliedstaaten im Einklang mit den besonderen Bestimmungen dieser Verordnung über öffentliche Urkunden und Vereinbarungen Wirkung verliehen werden. Diese Verordnung sollte nicht den freien Verkehr rein privater Vereinbarungen erlauben. Vereinbarungen, bei denen es sich nicht um eine Entscheidung oder eine öffentliche Urkunde handelt, die aber von einer hierzu befugten Behörde registriert wurden, sollten verkehren dürfen. Zu diesen Behörden könnten auch Notare gehören, die Vereinbarungen registrieren, auch wenn sie freiberuflich tätig sind.
- (15)In Bezug auf eine öffentliche Urkunde ist der Begriff Ermächtigung in dieser Verordnung autonom in Einklang mit der Definition des in anderen Rechtsinstrumenten der Union durchgängig verwendeten Begriffs öffentliche Urkunde und in Anbetracht der Zwecke dieser Verordnung auszulegen.
- (16)Auch wenn Rückgabeverfahren nach dem Haager Übereinkommen von 1980 keine Hauptsacheverfahren betreffend die elterliche Verantwortung sind, sollten Entscheidungen, in denen nach dem Haager Übereinkommen von 1980 die Rückgabe eines Kindes in einen anderen Mitgliedstaat angeordnet wird und die aufgrund einer späteren, nach der Anordnung der Rückgabe erfolgten Entführung in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt werden müssen, nach Kapitel IV dieser Verordnung anerkannt und vollstreckt werden. Die Möglichkeit, wegen der späteren Entführung ein neues Verfahren im Hinblick auf die Rückgabe des Kindes nach dem Haager Übereinkommen von 1980 einzuleiten, bleibt davon unberührt. Ferner sollte diese Verordnung weiterhin für andere Aspekte in Fällen des widerrechtlichen Verbringens oder Zurückhaltens eines Kindes gelten, so zum Beispiel die Bestimmungen über die gerichtliche Zuständigkeit des Gerichts des Mitgliedstaats des gewöhnlichen Aufenthalts und die Bestimmungen über die Anerkennung und Vollstreckung aller von diesem Gericht erlassenen Anordnungen.
- (17)Diese Verordnung sollte wie das Haager Übereinkommen vom 19. Oktober 1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern (im Folgenden Haager Übereinkommen von 1996) für alle Kinder bis zum Alter von 18 Jahren gelten, auch in den Fällen, in denen sie aufgrund des für sie maßgeblichen Personenstandsrechts vorher geschäfts- und handlungsfähig geworden sein sollten, weil sie beispielsweise infolge einer Eheschließung mündig geworden sind. Hierdurch sollten eine Überschneidung mit dem Anwendungsbereich des Haager Übereinkommens vom 13. Januar 2000 über den internationalen Schutz von Erwachsenen, das für Personen ab einem Alter von 18 Jahren gilt, und zugleich Lücken zwischen diesen beiden Rechtsinstrumenten vermieden werden. Das Haager Übereinkommen von 1980 und folglich auch Kapitel III dieser Verordnung, die die Anwendung des Haager Übereinkommens von 1980 im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten ergänzt, sollten weiterhin für Kinder bis zum Alter von 16 Jahren gelten.
- (18)Für die Zwecke dieser Verordnung sollte davon ausgegangen werden, dass eine Person ein Sorgerecht hat, wenn aufgrund einer Entscheidung oder kraft Gesetzes oder durch eine rechtlich verbindliche Vereinbarung nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, ein Träger der elterlichen Verantwortung nicht ohne Zustimmung dieser Person über den Aufenthaltsort des Kindes – ungeachtet der im nationalen Recht verwendeten Begriffe – entscheiden kann. In einigen Rechtsordnungen, die die Begriffe Sorgerecht und Umgang verwenden, kann dem nicht sorgeberechtigten Elternteil möglicherweise ein bedeutendes Maß an Verantwortung für das Kind betreffende Entscheidungen zukommen, die über ein bloßes Umgangsrecht hinausgehen.
- (19)Die Zuständigkeitsvorschriften in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung wurden dem Wohle des Kindes entsprechend ausgestaltet und sollten im Einklang damit angewandt werden. Jede Bezugnahme auf das Kindeswohl sollte vor dem Hintergrund des Artikels 24 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden Charta) und des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (im Folgenden VN-Kinderrechtsübereinkommen) – wie sie im nationalen Recht und in nationalen Verfahren angewendet werden – ausgelegt werden.
- (20)Zum Schutz des Kindeswohls sollte sich die Zuständigkeit in erster Linie nach dem Kriterium der räumlichen Nähe bestimmen. Die Zuständigkeit sollte folglich dem Mitgliedstaat des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes vorbehalten sein, außer in bestimmten, in dieser Verordnung dargelegten Fällen, in denen sich beispielsweise der Aufenthaltsort des Kindes geändert hat oder die Träger der elterlichen Verantwortung etwas anderes vereinbart haben.
- (21)Ist noch kein Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung anhängig und ändert sich der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes nach einem rechtmäßigen Umzug, so sollte die Zuständigkeit das Kind begleiten, damit die räumliche Nähe aufrechterhalten bleibt. Für bereits anhängige Verfahren rechtfertigen es die Rechtssicherheit und die Effizienz der Justiz, diese Zuständigkeit so lange aufrechtzuerhalten, bis in den betreffenden Verfahren eine rechtskräftige Entscheidung ergangen ist oder die Verfahren anderweitig abgeschlossen worden sind. Das Gericht, bei dem ein Verfahren anhängig ist, sollte jedoch unter bestimmten Umständen berechtigt sein, die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat zu übertragen, in dem das Kind nach einem rechtmäßigen Umzug lebt.
- (22)Bei einem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten eines Kindes sollten vorbehaltlich einer möglichen Gerichtsstandsvereinbarung gemäß dieser Verordnung die Gerichte des Mitgliedstaats des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes ihre Zuständigkeit behalten, bis in einem anderen Mitgliedstaat ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt begründet wird und einige besondere Bedingungen erfüllt sind. Die Mitgliedstaaten, die die Zuständigkeit konzentriert haben, sollten in Erwägung ziehen, dem mit dem Rückgabeantrag nach dem Haager Übereinkommen von 1980 befassten Gericht zu ermöglichen, auch die Zuständigkeit in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung wahrzunehmen, auf die sich die Parteien gemäß dieser Verordnung geeinigt oder die sie anerkannt haben, sofern im Laufe des Rückgabeverfahrens eine Vereinbarung zwischen den Parteien zustande gekommen ist. Derartige Vereinbarungen sollten Vereinbarungen sowohl über die Rückgabe als auch über die Nichtrückgabe des Kindes abdecken. Ist die Nichtrückgabe vereinbart, so sollte das Kind in dem Mitgliedstaat des neuen gewöhnlichen Aufenthalts bleiben, und die Zuständigkeit für künftige Sorgerechtsverfahren dort sollte aufgrund des neuen gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes bestimmt werden.
- (23)Unter bestimmten Bedingungen gemäß dieser Verordnung sollte es möglich sein, die Zuständigkeit in einem Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung auch in einem Mitgliedstaat zu begründen, in dem ein Verfahren betreffend die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe zwischen den Eltern anhängig ist, oder in einem anderen Mitgliedstaat, zu dem das Kind eine wesentliche Bindung hat und auf den sich die Eltern zuvor, und zwar spätestens zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts, geeinigt haben oder den sie im Laufe des Verfahrens ausdrücklich anerkannt haben, selbst wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in diesem Mitgliedstaat hat, sofern die Wahrnehmung dieser Zuständigkeit im Einklang mit dem Kindeswohl steht. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sollte jede andere Person als die Eltern, die nach innerstaatlichem Recht Partei des von den Eltern eingeleiteten Verfahrens ist, als Verfahrenspartei im Sinne dieser Verordnung gelten, und daher sollte der Einspruch dieser Partei gegen die Wahl des Gerichtsstands durch die Eltern des betroffenen Kindes nach dem Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts verhindern, dass die Zuständigkeit durch alle Parteien des Verfahrens zu diesem Zeitpunkt anerkannt werden kann. Vor der Ausübung seiner Zuständigkeit aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung oder der Anerkennung sollte das Gericht prüfen, ob diese Vereinbarung oder Anerkennung auf einer freien und in Kenntnis der Sachlage getroffenen Entscheidung der betreffenden Parteien beruht und nicht dadurch zustande gekommen ist, dass eine Partei die Zwangslage oder schwache Position der anderen Partei ausgenutzt hat. Die Anerkennung der gerichtlichen Zuständigkeit im Laufe des Verfahrens sollte vom Gericht im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften und Verfahren verzeichnet werden.
- (24)Jede vereinbarte oder anerkannte Zuständigkeit sollte – sofern nichts anderes zwischen den Parteien vereinbart wurde – erlöschen, sobald gegen eine Entscheidung in jenem genannten Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung kein ordentlicher Rechtsbehelf mehr eingelegt werden kann oder das Verfahren aus einem anderen Grund eingestellt wurde, damit im Hinblick auf etwaige neue künftige Verfahren das Erfordernis der räumlichen Nähe beachtet wird.
- (25)Wenn der gewöhnliche Aufenthalt eines Kindes nicht festgestellt werden und die Zuständigkeit aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung nicht bestimmt werden kann, sollten die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig sein, in dem sich das Kind befindet. Diese Regel aufgrund der Anwesenheit sollte auch für Kinder gelten, die Flüchtlinge oder aufgrund von Unruhen in dem Mitgliedstaat ihres gewöhnlichen Aufenthalts ihres Landes Vertriebene sind. Im Lichte dieser Verordnung in Verbindung mit Artikel 52 Absatz 2 des Haager Übereinkommens von 1996 sollte diese Zuständigkeitsregel jedoch nur für Kinder gelten, die vor der Vertreibung ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat hatten. War der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes vor der Vertreibung in einem Drittstaat, sollte die Zuständigkeitsregel des Haager Übereinkommens von 1996 für geflüchtete Kinder und ihres Landes vertriebene Kinder gelten.
- (26)Unter außergewöhnlichen Umständen könnte es sein, dass ein Gericht des Mitgliedstaats des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes nicht das am besten geeignete Gericht zur Behandlung des Falls ist. Ohne dazu verpflichtet zu sein, sollte das zuständige Gericht seine Zuständigkeit in einem bestimmten Fall ausnahmsweise und unter bestimmten Bedingungen einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats übertragen können, wenn dieses in diesem besonderen Fall das Kindeswohl besser beurteilen kann. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sollte die Zuständigkeit für Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung von einem Gericht eines Mitgliedstaats nur einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats übertragen werden, zu dem das betroffene Kind eine besondere Bindung hat. Diese Verordnung sollte eine erschöpfende Auflistung der maßgeblichen Elemente einer solchen besonderen Bindung darlegen. Das zuständige Gericht sollte das Ersuchen nur dann an das Gericht eines anderen Mitgliedstaats richten, wenn seine vorherige Entscheidung, das Verfahren auszusetzen und um Übertragung der Zuständigkeit zu ersuchen, rechtskräftig geworden ist, sofern diese Entscheidung nach nationalem Recht angefochten werden kann.
- (27)Unter außergewöhnlichen Umständen und unter Berücksichtigung des Kindeswohls im jeweiligen Einzelfall sollte ein Gericht eines Mitgliedstaats, der nach dieser Verordnung nicht zuständig ist, aber eine besondere Bindung zu dem Kind im Sinne dieser Verordnung aufweist, um Übertragung der Zuständigkeit vom zuständigen Gericht des Mitgliedstaats des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes ersuchen können. Dies sollte jedoch in Fällen eines widerrechtlichen Verbringens oder Zurückhaltens des Kindes nicht zulässig sein. Das jeweils zuständige Gericht sollte nach dem nationalen Recht des ersuchten Mitgliedstaats ermittelt werden.
- (28)Unabhängig davon, ob eine Übertragung der Zuständigkeit von einem Gericht, das seine Zuständigkeit übertragen möchte, oder von einem Gericht, das die Zuständigkeit erhalten möchte, angestrebt wird, sollte diese Übertragung nur für den betreffenden Einzelfall gelten, in dem sie erfolgt. Ist das Verfahren abgeschlossen, für das um Übertragung der Zuständigkeit ersucht und diese gewährt wurde, so sollte die Übertragung keine Wirkung für künftige Verfahren entfalten.
- (29)Soweit sich aus dieser Verordnung keine Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedstaats ergibt, bestimmt sich die Zuständigkeit in jedem Mitgliedstaat nach dem Recht dieses Mitgliedstaats. Der Ausdruck Recht dieses Mitgliedstaats sollte in diesem Mitgliedstaat geltende internationale Übereinkommen einschließen.
- (30)Die vorliegende Verordnung sollte die Gerichte eines Mitgliedstaats, die nicht für die Entscheidung in der Hauptsache zuständig sind, nicht daran hindern, in dringenden Fällen einstweilige Maßnahmen einschließlich Schutzmaßnahmen in Bezug auf die Person oder das Vermögen eines Kindes, das sich in diesem Mitgliedstaat aufhält, anzuordnen. Diese Maßnahmen sollten in keinem anderen Mitgliedstaat gemäß dieser Verordnung anerkannt und vollstreckt werden, mit Ausnahme von Maßnahmen zum Schutz des Kindes vor einer in Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe b des Haager Übereinkommens von 1980 genannten schwerwiegenden Gefahr. Die Maßnahmen zum Schutz des Kindes vor einer solchen Gefahr sollten in Kraft bleiben, bis ein Gericht des Mitgliedstaats des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes die Maßnahmen angeordnet hat, die es für angebracht hält. Sofern der Schutz des Kindeswohls dies gebietet, sollte das Gericht – direkt oder über die Zentralen Behörden – das Gericht des Mitgliedstaats, der nach dieser Verordnung für die Entscheidung in der Hauptsache zuständig ist, über die getroffenen Maßnahmen unterrichten. Ein Unterbleiben dieser Information sollte jedoch nicht an sich ein Grund für die Nichtanerkennung der Maßnahme sein.
- (31)Ein Gericht, das lediglich für einstweilige Maßnahmen einschließlich Schutzmaßnahmen zuständig ist, sollte sich, wenn es mit einem Antrag betreffend die Hauptsache befasst wird, von Amts wegen für unzuständig erklären, falls ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats aufgrund dieser Verordnung in der Hauptsache zuständig ist.
- (32)Hängt der Ausgang eines Verfahrens vor einem Gericht eines Mitgliedstaats, der nach dieser Verordnung nicht zuständig ist, von der Beurteilung einer in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallenden Vorfrage ab, so sollten die Gerichte dieses Mitgliedstaats durch die vorliegende Verordnung nicht an der Beurteilung dieser Frage gehindert werden. Geht es in dem Verfahren beispielsweise um eine Erbsache, von der das Kind betroffen ist und in der ein Prozesspfleger zu bestellen ist, der das Kind im Verfahren vertritt, so sollte es daher dem für die Erbsache zuständigen Mitgliedstaat erlaubt sein, den Prozesspfleger für das anhängige Verfahren zu bestellen, ungeachtet dessen, ob er für Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung nach dieser Verordnung zuständig ist. Eine derartige Beurteilung sollte ausschließlich in dem Verfahren Rechtswirkung entfalten, für das sie vorgenommen wurde.
- (33)Ist für die Gültigkeit einer Rechtshandlung, die im Namen eines Kindes in Erbsachen bei einem Gericht eines Mitgliedstaats vorgenommen wurde oder vorzunehmen ist, die Einwilligung oder Genehmigung seitens eines Gerichts erforderlich, so sollte ein Gericht in diesem Mitgliedstaat entscheiden dürfen, ob es in diese Rechtshandlung einwilligt oder sie genehmigt, selbst wenn es nach dieser Verordnung nicht zuständig ist. Der Begriff Rechtshandlung sollte beispielsweise die Annahme oder Ablehnung eines Erbes oder eine Vereinbarung zwischen den Parteien über die Verteilung oder Aufteilung des Vermögens einschließen.
- (34)Die Anwendung des Völkerrechts im Bereich der diplomatischen Immunität sollte durch diese Verordnung nicht berührt werden. Kann das nach dieser Verordnung zuständige Gericht seine Zuständigkeit aufgrund einer diplomatischen Immunität nach dem Völkerrecht nicht wahrnehmen, so sollte die Zuständigkeit in dem Mitgliedstaat, in dem die betreffende Person keine Immunität genießt, nach den Rechtsvorschriften dieses Staats wahrgenommen werden.
- (35)In dieser Verordnung wird festgelegt, wann ein Gericht als im Sinne dieser Verordnung angerufen gilt. Da es in den Mitgliedstaaten die beiden unterschiedlichen Systeme gibt, denen zufolge entweder das verfahrenseinleitende Schriftstück zunächst dem Antragsgegner zugestellt oder zunächst beim Gericht eingereicht werden muss, sollte es ausreichen, dass der im nationalen Recht vorgesehene erste Schritt unternommen wurde, sofern der Antragsteller es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm nach nationalem Recht obliegenden Maßnahmen zu treffen, damit der zweite Schritt durchgeführt werden kann. In Anbetracht der zunehmenden Bedeutung der Mediation und anderer Arten der alternativen Streitbeilegung auch im Laufe des Verfahrens sollte ein Gericht gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs auch zu dem Zeitpunkt als angerufen gelten, zu dem beim Gericht das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück in Fällen eingereicht wird, in denen das Verfahren auf Antrag der Partei, die es eingeleitet hat, inzwischen ausgesetzt wurde, um eine einvernehmliche Lösung zu finden, ohne dass das verfahrenseinleitende Schriftstück dem Antragsgegner bereits zugestellt wurde und ohne dass der Antragsgegner von dem Verfahren Kenntnis hat oder an ihm in irgend einer Weise teilgenommen hat, sofern die Partei, die das Verfahren eingeleitet hat, es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um die Zustellung des Schriftstücks an den Antragsgegner zu bewirken. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sollte bei Rechtshängigkeit der Tag, an dem ein obligatorisches Schlichtungsverfahren bei einer nationalen Schlichtungsbehörde eingeleitet wurde, als der Tag gelten, an dem ein Gericht als angerufen gilt.
- (36)Für die Zustellung von Schriftstücken in Verfahren, die auf der Grundlage der vorliegenden Verordnung eingeleitet wurden, sollte die Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates gelten.
- (37)Ein Gericht eines Mitgliedstaats sollte sich von Amts wegen für unzuständig erklären, wenn es in einer Sache angerufen wird, für die es nach dieser Verordnung keine Zuständigkeit in der Hauptsache hat und für die ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats aufgrund dieser Verordnung in der Hauptsache zuständig ist. Einem Gericht eines Mitgliedstaats, der eine besondere Bindung zu dem Kind im Sinne dieser Verordnung aufweist, sollte es jedoch freistehen, um Übertragung der Zuständigkeit gemäß dieser Verordnung zu ersuchen, ohne dass es dazu verpflichtet wäre.
- (38)Im Interesse einer abgestimmten Rechtspflege müssen Parallelverfahren so weit wie möglich vermieden werden, damit nicht in verschiedenen Mitgliedstaaten miteinander unvereinbare Entscheidungen ergehen. Es sollte eine klare und wirksame Regelung zur Klärung von Fragen der Rechtshängigkeit und der im Zusammenhang stehenden Verfahren sowie zur Verhinderung von Problemen vorgesehen werden, die sich aus der einzelstaatlich unterschiedlichen Festlegung des Zeitpunkts ergeben, von dem an ein Verfahren als rechtshängig gilt. Für die Zwecke dieser Verordnung sollte dieser Zeitpunkt autonom festgelegt werden. Um jedoch die Wirksamkeit von ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarungen zu verbessern, sollten die Bestimmungen dieser Verordnung über die Rechtshängigkeit dem nicht entgegenstehen, dass Eltern den Gerichten eines Mitgliedstaats die ausschließliche Zuständigkeit zuerkennen.
- (39)In Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung nach dieser Verordnung sowie in Rückgabeverfahren nach dem Haager Übereinkommen von 1980 sollte dem Kind, das von diesen Verfahren betroffen und fähig ist, sich seine eigene Meinung zu bilden, im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs grundsätzlich eine echte und wirksame Gelegenheit zur Meinungsäußerung gegeben werden und sollte diese Meinung bei der Bewertung des Kindeswohls gebührend berücksichtigt werden. Die Gelegenheit für das Kind, im Einklang mit Artikel 24 Absatz 1 der Charta und Artikel 12 des VN-Kinderrechtsübereinkommens seine Meinung frei zu äußern, spielt bei der Anwendung dieser Verordnung eine wichtige Rolle. Nach der Verordnung sollte es allerdings weiterhin Sache der Mitgliedstaaten sein, in den nationalen Rechtsvorschriften und Verfahren festzulegen, wer das Kind anhört und wie das Kind angehört wird. Somit sollte es nicht das Ziel dieser Verordnung sein, festzulegen ob das Kind von dem Richter persönlich oder von einem speziell geschulten Sachverständigen angehört werden sollte, der dem Gericht anschließend Bericht erstattet, oder ob die Anhörung des Kindes im Gerichtssaal oder an einem anderen Ort oder auf anderem Wege erfolgen sollte. Außerdem hat das Kind zwar nach wie vor das Recht, angehört zu werden, doch stellt seine Anhörung keine absolute Verpflichtung dar, sondern muss unter Berücksichtigung des Kindeswohls beurteilt werden, beispielsweise in Fällen, die mit Vereinbarungen zwischen den Parteien verbunden sind.Wenn es auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs gemäß Artikel 24 der Charta und der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 nicht erforderlich ist, dass das Gericht des Ursprungsmitgliedstaats die Meinung des Kindes in jeder Rechtssache durch eine Anhörung einholt, und diesem Gericht somit ein Ermessensspielraum bleibt, so geht aus der Rechtsprechung jedoch auch hervor, dass das Gericht bei der Entscheidung, dem Kind eine Gelegenheit zur Anhörung zu geben, verpflichtet ist, alle für die Durchführung einer derartigen Anhörung angemessenen Vorkehrungen zu treffen, wobei dem Kindeswohl und den Umständen jedes Einzelfalls Rechnung zu tragen ist, damit die Wirksamkeit dieser Bestimmungen sichergestellt ist und dem Kind eine echte und wirksame Gelegenheit zur Meinungsäußerung gegeben wird. Das Gericht des Ursprungsmitgliedstaats sollte soweit möglich und stets unter Berücksichtigung des Kindeswohls alle Mittel, die ihm im nationalen Recht zur Verfügung stehen, sowie die speziellen Instrumente der internationalen justiziellen Zusammenarbeit einsetzen, gegebenenfalls einschließlich derjenigen der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates.
- (40)Bei widerrechtlichem Verbringen oder Zurückhalten eines Kindes sollte dessen Rückgabe unverzüglich erwirkt werden, und zu diesem Zweck sollte das Haager Übereinkommen von 1980, das durch diese Verordnung und insbesondere des Kapitels III ergänzt wird, weiterhin Anwendung finden.
- (41)Um die Rückgabeverfahren nach dem Haager Übereinkommen von 1980 so rasch wie möglich abzuschließen, sollen die Mitgliedstaaten entsprechend ihren innerstaatlichen Gerichtssystemen in Erwägung ziehen, die Zuständigkeit für diese Verfahren bei einer möglichst begrenzten Anzahl von Gerichten zu konzentrieren. Die Zuständigkeit für Kindesentführungsfälle könnte bei einem einzigen Gericht für das ganze Land oder bei einer begrenzten Zahl von Gerichten konzentriert werden; dabei ließe sich beispielsweise die Zuständigkeit für internationale Kindesentführungsfälle ausgehend von der Zahl der Rechtsbehelfsgerichte bei einem Gericht erster Instanz in jedem Rechtsbehelfsgerichtsbezirk konzentrieren.
- (42)In Rückgabeverfahren nach dem Haager Übereinkommen von 1980 sollten die Gerichte jeder Instanz ihre Entscheidung binnen sechs Wochen treffen, es sei denn, dass dies aufgrund außergewöhnlicher Umstände nicht möglich ist. Der Rückgriff auf alternative Streitbeilegungsverfahren sollte nicht als außergewöhnlicher Umstand betrachtet werden, der eine Überschreitung der Frist rechtfertigt. Im Laufe dieser Verfahren oder als deren Folge können jedoch außergewöhnliche Umstände eintreten. Für ein Gericht erster Instanz sollte die Frist mit dem Zeitpunkt beginnen, zu dem das Gericht angerufen wurde. Für ein Gericht höherer Instanz sollte sie mit dem Zeitpunkt beginnen, zu dem alle erforderlichen Verfahrensschritte unternommen worden sind. Je nach dem betreffenden Rechtssystem könnten diese Schritte die Zustellung des Rechtsbehelfs an den Antragsgegner entweder in dem Mitgliedstaat, in dem das Gericht seinen Sitz hat, oder in einem anderen Mitgliedstaat, die Übermittlung der Akte und die Einlegung von Rechtsbehelfen beim Rechtsbehelfsgericht in Mitgliedstaaten, in denen Rechtsbehelfe bei dem Gericht eingelegt werden müssen, dessen Entscheidung angefochten wird, oder einen Antrag einer Partei auf Abhaltung einer Anhörung umfassen, wenn ein derartiger Antrag nach nationalem Recht erforderlich ist. Die Mitgliedstaaten sollten auch in Erwägung ziehen, die Zahl der möglichen Rechtsbehelfe gegen eine Entscheidung, mit der die Rückgabe eines Kindes nach dem Haager Übereinkommen von 1980 angeordnet oder abgelehnt wird, auf einen Rechtsbehelf zu begrenzen.
- (43)In allen Fällen, die Kinder betreffen, insbesondere in Fällen internationaler Kindesentführung, sollten die Gerichte die Möglichkeit der Herbeiführung einer Lösung durch Mediation oder andere geeignete Mittel prüfen und dabei gegebenenfalls auf die Unterstützung durch bestehende Netzwerke und Unterstützungsstrukturen für Mediation in grenzüberschreitenden Streitigkeiten über die elterliche Verantwortung zurückgreifen. Solche Bemühungen dürfen jedoch die Rückgabeverfahren nach dem Haager Übereinkommen von 1980 nicht über Gebühr in die Länge ziehen. Außerdem dürfte Mediation nicht immer angezeigt sein, insbesondere in Fällen häuslicher Gewalt. Einigen sich die Eltern im Laufe eines Rückgabeverfahrens nach dem Haager Übereinkommen von 1980 über die Rückgabe oder Nichtrückgabe des Kindes, und auch über Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung, so sollte diese Verordnung ihnen unter bestimmten Umständen ermöglichen, zu vereinbaren, dass das nach dem Haager Übereinkommen von 1980 befasste Gericht dafür zuständig sein sollte, ihrer Vereinbarung Rechtswirkung zu verleihen, indem es sie in eine Entscheidung aufnimmt, billigt oder auf eine andere in den nationalen Rechtsvorschriften und Verfahren vorgesehene Form zurückgreift. Die Mitgliedstaaten, die die Zuständigkeit konzentriert haben, sollten daher in Erwägung ziehen, das mit dem Rückgabeverfahren nach dem Haager Übereinkommen von 1980 befasste Gericht in die Lage zu versetzen, auch die Zuständigkeit in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung wahrzunehmen, auf die sich die Parteien gemäß dieser Verordnung geeinigt oder die sie anerkannt haben, sofern im Laufe dieses Rückgabeverfahrens eine Vereinbarung zwischen den Parteien zustande gekommen ist.
- (44)Das Gericht des Mitgliedstaats, in den das Kind widerrechtlich verbracht wurde oder in dem es widerrechtlich zurückgehalten wird, sollte die Rückgabe in besonderen, ordnungsgemäß begründeten Fällen ablehnen können, wie dies im Haager Übereinkommen von 1980 vorgesehen ist. Zuvor sollte es prüfen, ob angemessene Schutzmaßnahmen getroffen wurden oder getroffen werden könnten, um das Kind vor der schwerwiegenden Gefahr im Sinne des Artikels 13 Absatz 1 Buchstabe b des Haager Übereinkommens von 1980 zu schützen.
- (45)Zieht ein Gericht in Erwägung, die Rückgabe eines Kindes nur aufgrund von Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe b des Haager Übereinkommens von 1980 abzulehnen, so sollte es die Rückgabe des Kindes nicht ablehnen, wenn entweder die Partei, die sich um die Rückgabe des Kindes bemüht, das Gericht davon überzeugt oder das Gericht auf andere Weise zu der Überzeugung gelangt, dass angemessene Vorkehrungen zum Schutz des Kindes nach seiner Rückgabe getroffen wurden. Bei diesen Vorkehrungen könnte es sich beispielsweise handeln um eine gerichtliche Anordnung aus diesem Mitgliedstaat, die dem Antragsteller verbietet, sich dem Kind zu nähern, eine einstweilige Maßnahme einschließlich einer Schutzmaßnahme seitens dieses Mitgliedstaats, der zufolge das Kind bei dem Elternteil, der es entzogen hat und der die tatsächliche Sorge wahrnimmt, bleiben kann, bis in diesem Mitgliedstaat nach der Rückgabe eine Sorgerechtsentscheidung gefällt wird, oder den Nachweis, dass für ein behandlungsbedürftiges Kind medizinische Einrichtungen zur Verfügung stehen. Welche Art von Vorkehrungen im Einzelfall angemessen ist, sollte von der konkreten schwerwiegenden Gefahr abhängen, der das Kind bei einer Rückgabe ohne derartige Vorkehrungen ausgesetzt sein könnte. Das Gericht, das feststellen will, ob angemessene Vorkehrungen getroffen wurden, sollte sich in erster Linie an die Parteien halten und erforderlichen- und gegebenenfalls die Zentralen Behörden oder die dem Netz angeschlossenen Richter, insbesondere innerhalb des gemäß Beschluss 2001/470/EG des Rates errichteten Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen und innerhalb des Internationalen Haager Richternetzwerks, um Unterstützung ersuchen.
- (46)Bei der Anordnung der Rückgabe des Kindes sollte es für das Gericht möglich sein, gegebenenfalls alle einstweiligen Maßnahmen, einschließlich Schutzmaßnahmen gemäß dieser Verordnung anzuordnen, die es für erforderlich hält, um das Kind vor der mit der Rückgabe verbundenen schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens zu schützen, die ansonsten zur Ablehnung der Rückgabe führen würde. Derartige einstweilige Maßnahmen und ihr Verkehr sollten weder die Rückgabeverfahren nach dem Haager Übereinkommen von 1980 verzögern noch die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen dem in Rückgabeverfahren nach dem Haager Übereinkommen von 1980 angerufenen Gericht und dem nach dieser Verordnung in der Hauptsache der elterlichen Verantwortung zuständigen Gericht unterlaufen. Erforderlichenfalls sollte das in Rückgabeverfahren nach dem Haager Übereinkommen von 1980 angerufene Gericht mit Hilfe der Zentralen Behörden oder der dem Netz angeschlossenen Richter, insbesondere innerhalb des Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen und des Internationalen Haager Richternetzwerks, das Gericht oder die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes konsultieren. Diese Maßnahmen sollten in allen anderen Mitgliedstaaten, einschließlich des nach dieser Verordnung zuständigen Mitgliedstaats, so lange anerkannt und vollstreckt werden, bis ein Gericht des betreffenden Mitgliedstaats die Maßnahmen getroffen hat, die es als angemessen erachtet. Zu derartigen vorläufigen Maßnahmen – einschließlich Schutzmaßnahmen – könnte beispielsweise gehören, dass das Kind sich weiter bei der Person aufhält, die die tatsächliche Sorge wahrnimmt, oder dass geregelt wird, wie nach der Rückgabe Kontakte zu dem Kind stattfinden sollten, bis das Gericht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes die seines Erachtens angezeigten Maßnahmen getroffen hat. Dadurch sollte einer Maßnahme oder Entscheidung des Gerichts des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes nach dessen Rückgabe nicht vorgegriffen werden.
- (47)Es sollte möglich sein, eine Entscheidung, mit der die Rückgabe des Kindes angeordnet wird, ungeachtet der Einlegung eines Rechtsbehelfs für vorläufig vollstreckbar zu erklären, wenn die Rückgabe des Kindes vor der Entscheidung über den Rechtsbehelf aus Gründen des Kindeswohls erforderlich ist. Im nationalen Recht kann festgelegt werden, von welchem Gericht die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar erklärt werden kann.
- (48)Entscheidet das Gericht des Mitgliedstaats, in den das Kind widerrechtlich verbracht wurde oder in dem es widerrechtlich zurückgehalten wird, die Anordnung der Rückgabe des Kindes nach dem Haager Übereinkommen von 1980 abzulehnen, so sollte es in seiner Entscheidung ausdrücklich auf die einschlägigen Artikel dieses Übereinkommens verweisen, auf deren Grundlage die Ablehnung erfolgte. Ungeachtet dessen, ob diese ablehnende Entscheidung endgültig oder noch anfechtbar ist, könnte sie dennoch durch eine spätere Entscheidung ersetzt werden, die in einem Sorgerechtsverfahren von dem Gericht des Mitgliedstaats gefällt wird, in dem das Kind vor seinem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Im Laufe dieser Verfahren sollten unter Berücksichtigung des Kindeswohls alle Umstände, einschließlich des Verhaltens der Eltern, eingehend geprüft werden, aber die Prüfung sollte sich nicht auf dieses Verhalten beschränken. Sollte in der daraus resultierenden Sorgerechtsentscheidung die Rückgabe des Kindes angeordnet werden, so sollte die Rückgabe erfolgen, ohne dass es in einem anderen Mitgliedstaat eines besonderen Verfahrens zur Anerkennung und Vollstreckung dieser Entscheidung bedarf.
- (49)Das Gericht, das die Rückgabe des Kindes nur aufgrund des Artikels 13 Absatz 1 Buchstabe b oder des Artikels 13 Absatz 2 – oder der beiden Bestimmungen – des Haager Übereinkommens von 1980 ablehnt, sollte von Amts wegen eine Bescheinigung ausstellen, für die das in dieser Verordnung wiedergegebene Formblatt verwendet wird. Mit dieser Bescheinigung sollen die Parteien davon in Kenntnis gesetzt werden, dass sie innerhalb von drei Monaten nach der Mitteilung der Entscheidung, mit der die Rückgabe des Kindes abgelehnt wird, in der Hauptsache Anträge betreffend das Sorgerecht bei einem Gericht in dem Mitgliedstaat einreichen können, in dem das Kind unmittelbar vor dem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, oder dass sie, wenn das Gericht bereits befasst wurde, dem Gericht die einschlägigen Unterlagen hinsichtlich des Rückgabeverfahrens übermitteln können.
- (50)Ist in dem Mitgliedstaat, in dem das Kind unmittelbar vor dem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, ein Verfahren in der Hauptsache betreffend das Sorgerecht bereits zu dem Zeitpunkt anhängig, zu dem ein mit dem Rückgabeantrag nach dem Haager Übereinkommen von 1980 befasstes Gericht die Rückgabe des Kindes nur aufgrund des Artikels 13 Absatz 1 Buchstabe b oder des Artikels 13 Absatz 2 – oder der beiden Bestimmungen – des Haager Übereinkommens von 1980 ablehnt, so sollte das Gericht, das die Rückgabe des Kindes abgelehnt hat, falls es von dem betreffenden Verfahren Kenntnis hat, innerhalb eines Monats ab dem Zeitpunkt seiner Entscheidung eine Abschrift seiner Entscheidung, die entsprechende Bescheinigung und gegebenenfalls ein Protokoll, eine Zusammenfassung oder eine Niederschrift der Anhörung sowie alle anderen Unterlagen übermitteln, die es als sachdienlich für das mit dem Verfahren in der Hauptsache betreffend das Sorgerechtbefasste Gericht erachtet. Der Ausdruck alle anderen Unterlagen, die es als sachdienlich erachtet, sollte sich auf alle Unterlagen beziehen, die sich auf das Ergebnis dieses Sorgerechtsverfahrens auswirken könnten, wenn die entsprechenden Informationen nicht bereits in der Entscheidung enthalten sind, mit der die Rückgabe abgelehnt wird.
- (51)Ist in dem Mitgliedstaat, in dem das Kind unmittelbar vor dem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, noch kein Verfahren in der Hauptsache betreffend das Sorgerecht anhängig und ruft eine Partei innerhalb von drei Monaten nach dem Zeitpunkt der Mitteilung der Entscheidung, die Rückgabe des Kindes abzulehnen, ein Gericht in diesem Mitgliedstaat an, so sollte diese Partei dem mit dem Sorgerechtsantrag befassten Gericht eine Abschrift der Entscheidung über die Ablehnung der Rückgabe des Kindes gemäß dem Haager Übereinkommen von 1980, die entsprechende Bescheinigung und gegebenenfalls ein Protokoll, eine Zusammenfassung oder eine Niederschrift der Anhörung vorlegen. Dies hindert das angerufene Gericht nicht daran, alle weiteren Unterlagen zu verlangen, die es als sachdienlich erachtet und die Informationen enthalten, die sich auf das Ergebnis des Verfahren in der Hauptsache betreffend das Sorgerecht auswirken könnten, wenn diese Informationen nicht bereits in der Entscheidung selbst enthalten sind, mit der die Rückgabe abgelehnt wird.
- (52)Wurde innerhalb von drei Monaten nach dem Zeitpunkt der Mitteilung der Entscheidung, die Rückgabe des Kindes nach dem Haager Übereinkommen von 1980 abzulehnen, das für die Sorgerechtsentscheidung zuständige Gericht von einer Partei befasst oder war vor diesem Gericht zum Zeitpunkt des Eingangs dieser Entscheidung des die Rückgabe des Kindes ablehnenden Gerichts bereits ein Sorgerechtsverfahren anhängig, so sollte jede sich aus diesem Verfahren ergebende Sorgerechtsentscheidung, die die Rückgabe des Kindes in diesen Mitgliedstaat zur Folge hat, gemäß Kapitel IV Abschnitt 2 der vorliegenden Verordnung in jedem anderen Mitgliedstaat vollstreckbar sein, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf und ohne dass die Anerkennung der Entscheidung angefochten werden kann. Dies sollte gelten, außer wenn – und nur soweit – eine Unvereinbarkeit mit einer späteren Entscheidung über die elterliche Verantwortung betreffend das gleiche Kind festgestellt wird, sofern für die Sorgerechtsentscheidung, die die Rückgabe des Kindes zur Folge hat, eine Bescheinigung für privilegierte Entscheidungen ausgestellt wurde. Wird das Gericht, das für die Entscheidung in der Hauptsache zuständig ist, nach Ablauf der drei Monate befasst oder sind die Bedingungen für die Ausstellung einer Bescheinigung für solche privilegierten Entscheidungen nicht erfüllt, so sollte die ergangene Sorgerechtsentscheidung im Einklang mit Kapitel IV Abschnitt 1 der vorliegenden Verordnung in anderen Mitgliedstaaten anerkannt und vollstreckt werden.
- (53)Wenn es nicht möglich ist, eine Partei oder ein Kind persönlich anzuhören, und die entsprechenden technischen Mittel verfügbar sind, könnte das Gericht unbeschadet anderer Rechtsakte der Union in Erwägung ziehen, eine Anhörung mittels Videokonferenz oder einer anderen Kommunikationstechnologie durchzuführen, außer wenn in Anbetracht der besonderen Umstände des Falles die Verwendung solcher Technologien dem fairen Ablauf des Verfahrens nicht dienlich wäre.
- (54)Das gegenseitige Vertrauen in die Rechtspflege in der Union rechtfertigt den Grundsatz, dass in einem Mitgliedstaat in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung ergangene Entscheidungen in allen Mitgliedstaaten anerkannt werden sollten, ohne dass es eines Anerkennungsverfahrens bedarf. Insbesondere wenn ihnen eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Entscheidung vorgelegt wird, mit der die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung der Ehe ausgesprochen wird und die im Ursprungsmitgliedstaat nicht mehr angefochten werden kann, sollten die zuständigen Behörden des ersuchten Mitgliedstaats die Entscheidung von Rechts wegen anerkennen, ohne dass es eines Verfahrens bedarf, und ihre Personenstandsregister entsprechend aktualisieren. Es bleibt dem nationalen Recht überlassen, darüber zu befinden, ob die Versagungsgründe von einer Partei geltend gemacht werden müssen oder nach dem nationalen Recht von Amts wegen geltend gemacht werden. Dies hindert eine interessierte Partei nicht daran, im Einklang mit dieser Verordnung eine Entscheidung zu beantragen, dass keine Gründe für die Versagung der Anerkennung im Sinne dieser Verordnung bestehen. Es sollte im nationalen Rechts des Mitgliedstaats, in dem ein derartiger Antrag gestellt wird, festgelegt werden, wer als zu einem derartigen Antrag berechtigte interessierte Partei gilt.
- (55)Die Anerkennung und Vollstreckung von in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen, dort errichteten öffentlichen Urkunden und dort geschlossenen Vereinbarungen sollten auf dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens beruhen. Daher sollten die Gründe für eine Nichtanerkennung in Anbetracht des dieser Verordnung zugrundeliegenden Ziels, also der Erleichterung der Anerkennung und Vollstreckung und des wirksamen Schutzes des Kindeswohls, auf ein Mindestmaß beschränkt werden.
- (56)Die Anerkennung einer Entscheidung sollte nur versagt werden, wenn einer oder mehrere der in dieser Verordnung vorgesehenen Gründe für die Nichtanerkennung vorliegen. Die Auflistung der Gründe für die Versagung der Anerkennung in dieser Verordnung sind erschöpfend. Es sollte nicht möglich sein, in dieser Verordnung nicht aufgeführte Gründe, wie z. B. ein Verstoß gegen die Regel zur Rechtshängigkeit, als Gründe für die Versagung geltend zu machen. In Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung hat eine spätere Entscheidung stets Vorrang vor einer früheren Entscheidung mit Wirkung für die Zukunft, soweit sie unvereinbar sind.
- (57)Was die einem Kind gebotene Gelegenheit zur Meinungsäußerung anbelangt, so sollte es Sache des Ursprungsgerichts sein, über die angemessene Art und Weise der Anhörung des Kindes zu entscheiden. Daher sollte es nicht möglich sein, die Anerkennung einer Entscheidung einzig und allein aus dem Grund zu versagen, dass das Ursprungsgericht die Anhörung des Kindes auf andere Weise vorgenommen hat als dies ein Gericht im Mitgliedstaat der Anerkennung tun würde. Der Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, sollte diese nicht versagen, wenn eine der in dieser Verordnung zugelassenen Ausnahmen von diesem besonderen Ablehnungsgrund Anwendung findet. Diese Ausnahmen wirken sich dahingehend aus, dass es nicht möglich sein sollte, dass ein Gericht in dem Vollstreckungsmitgliedstaat die Vollstreckung einer Entscheidung einzig und allein aus dem Grund versagt, dass dem Kind keine Gelegenheit zur Meinungsäußerung gegeben worden ist, wobei das Kindeswohl berücksichtigt wurde, sofern das Verfahren nur das Vermögen des Kindes betroffen hat und sofern es in Anbetracht des Verfahrensgegenstandes nicht erforderlich war, ihm diese Gelegenheit zu geben, oder sofern es schwerwiegende Gründe gab, wobei insbesondere die Dringlichkeit des Falls zu berücksichtigen ist. Derartige schwerwiegende Gründe könnten beispielsweise vorliegen, wenn eine unmittelbare Gefahr für die körperliche und seelische Unversehrtheit oder das Leben des Kindes besteht und jede weitere Verzögerung das Risiko bergen könnte, dass diese Gefahr wirklich eintritt.
- (58)Darüber hinaus rechtfertigt das Ziel, den Zeit- und Kostenaufwand in grenzüberschreitenden Streitigkeiten mit Kindesbezug zu verringern, dass für alle Entscheidungen in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung die Vollstreckbarerklärung vor der Vollstreckung im Vollstreckungsmitgliedstaat oder, soweit anwendbar, die Registrierung zur Vollstreckung abgeschafft wird. Während mit der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 diese Anforderung nur für bestimmte Entscheidungen über das Umgangsrecht und bestimmte Entscheidungen, die die Rückgabe eines Kindes zur Folge haben, abgeschafft wurde, sollte sie mit der vorliegenden Verordnung für die grenzüberschreitende Vollstreckung sämtlicher Entscheidungen in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung abgeschafft werden, während für bestimmte Entscheidungen über das Umgangsrecht und bestimmte Entscheidungen, die die Rückgabe eines Kindes zur Folge haben, eine sogar noch günstigere Behandlung beibehalten wird. Vorbehaltlich dieser Verordnung ist eine von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats getroffene Entscheidung daher so zu behandeln, als ob sie im Vollstreckungsmitgliedstaat ergangen wäre.
- (59)Werden von einem Gericht, das in der Hauptsache zuständig ist, einstweilige Maßnahmen einschließlich Schutzmaßnahmen angeordnet, so sollte der Verkehr dieser Maßnahmen nach Maßgabe dieser Verordnung gewährleistet sein. Allerdings sollten einstweilige Maßnahmen, einschließlich Schutzmaßnahmen, die von einem solchen Gericht angeordnet wurden, ohne dass der Antragsgegner vorgeladen wurde, nicht gemäß dieser Verordnung anerkannt und vollstreckt werden, es sei denn, die die Maßnahme enthaltende Entscheidung ist dem Antragsgegner vor der Vollstreckung zugestellt worden. Dies sollte die Anerkennung und Vollstreckung solcher Maßnahmen gemäß nationalem Recht nicht ausschließen. Werden einstweilige Maßnahmen – einschließlich Schutzmaßnahmen – von einem Gericht eines Mitgliedstaats angeordnet, das in der Hauptsache nicht zuständig ist, so sollte deren Verkehr im Rahmen dieser Verordnung auf Maßnahmen begrenzt werden, die in Fällen internationaler Kindesentführung getroffen werden und die darauf abzielen, das Kind vor einer schwerwiegenden Gefahr im Sinne des Artikels 13 Absatz 1 Buchstabe b des Haager Übereinkommens von 1980 zu schützen. Diese Maßnahmen sollten so lange gelten, bis ein Gericht eines für die Entscheidung in der Hauptsache nach dieser Verordnung zuständigen Mitgliedstaats die Maßnahmen getroffen hat, die es als angemessen erachtet.
- (60)Da Vollstreckungsverfahren je nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften gerichtlich oder außergerichtlich erfolgen können, kann der Ausdruck für die Vollstreckung zuständige Behörden Gerichte, Gerichtsvollzieher und jede andere im nationalen Recht vorgesehene Behörde einschließen. Werden in dieser Verordnung zusätzlich zu den für die Vollstreckung zuständigen Behörden auch Gerichte erwähnt, so sollten damit Fälle abgedeckt werden, in denen im nationalen Recht eine andere Stelle als ein Gericht die für die Vollstreckung zuständige Behörde ist, bestimmte Entscheidungen jedoch Gerichten vorbehalten sind, und zwar entweder von Anfang an oder in Form einer Überprüfung der Handlungen der für die Vollstreckung zuständigen Behörde. Es sollte Sache der für die Vollstreckung zuständigen Behörde oder des Gerichts des Vollstreckungsmitgliedstaats sein, besondere, in der Vollstreckungsphase zu treffende Maßnahmen ebenso wie im nationalen Recht vorgesehene Maßnahmen ohne Zwangscharakter oder im nationalen Recht jenes Mitgliedstaats vorgesehene Zwangsmaßnahmen – einschließlich Geldstrafen, Haft oder Abholen des Kindes durch einen Gerichtsvollzieher – anzuordnen, zu ergreifen oder zu veranlassen.
- (61)Um die Vollstreckung von in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen über die Ausübung des Umgangsrechts zu erleichtern, sollten die für die Vollstreckung zuständigen Behörden oder die Gerichte im Vollstreckungsmitgliedstaat berechtigt sein, Einzelheiten in Bezug auf die praktischen Umstände oder nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats erforderliche rechtliche Voraussetzungen genau anzugeben. Durch die in dieser Verordnung vorgesehenen Regelungen sollte die Vollstreckung einer Entscheidung im Vollstreckungsmitgliedstaat erleichtert werden, die dort anderenfalls aufgrund ihrer mangelnden Klarheit nicht vollstreckt werden könnte, sodass die für die Vollstreckung zuständige Behörde oder das Vollstreckungsgericht die Entscheidung konkreter und genauer ausgestalten kann. Auch jegliche anderen Regelungen zur Erfüllung der rechtlichen Auflagen nach den nationalen Vollstreckungsvorschriften des Vollstreckungsmitgliedstaats wie beispielsweise die Beteiligung einer Jugendschutzbehörde oder eines Psychologen in der Vollstreckungsphase sollten auf dieselbe Weise festgelegt werden. Derartige Regelungen sollten jedoch nicht in den Wesensgehalt der Entscheidung über das Umgangsrecht eingreifen oder darüber hinausgehen. Außerdem sollte die Befugnis zur Anpassung von Maßnahmen nach dieser Verordnung es nicht ermöglichen, dass das Vollstreckungsgericht im Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats unbekannte Maßnahmen durch andere Maßnahmen ersetzt.
- (62)Durch die Vollstreckung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung ohne eine Vollstreckbarerklärung sollten die Rechte der Verteidigung nicht gefährdet werden. Deshalb sollte die Person, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, in der Lage sein, die Versagung der Anerkennung oder Vollstreckung einer Entscheidung zu beantragen, wenn ihrer Ansicht nach einer der in dieser Verordnung enthaltenen Gründe für die Versagung der Anerkennung oder Vollstreckung vorliegt. Es ist im innerstaatlichen Recht festzulegen, ob die in dieser Verordnung vorgesehenen Gründe für eine Versagung der Anerkennung von Amts wegen oder auf Antrag geprüft werden müssen. Dieselbe Prüfung sollte daher auch im Zusammenhang mit der Versagung der Vollstreckung möglich sein. Die Anwendung eines innerstaatlichen Versagungsgrunds sollte nicht dazu führen, dass die Bedingungen und Modalitäten der in dieser Verordnung vorgesehenen Gründe ausgeweitet werden.
- (63)Eine Partei, die die Vollstreckung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung anficht, sollte dies soweit möglich und im Einklang mit der Rechtsordnung des Vollstreckungsmitgliedstaats in dem Vollstreckungsverfahren tun können und in ein und demselben Verfahren neben den in dieser Verordnung vorgesehenen Versagungsgründen die Gründe geltend machen können, die im Recht des Mitgliedstaats, in dem die Vollstreckung betrieben wird, für deren Versagung vorgesehen sind und die weiterhin gelten, weil sie mit den in dieser Verordnung vorgesehenen Gründen nicht unvereinbar sind. Diese Gründe könnten z. B. Rechtsbehelfe wegen formeller Fehlerhaftigkeit von Vollstreckungsakten nach nationalem Recht oder Rechtsbehelfe einschließen, die sich auf das Vorbringen stützen, dass die von der Entscheidung angeordnete Handlung bereits vollzogen wurde oder unmöglich geworden ist, z. B. bei höherer Gewalt, schwerer Erkrankung der Person, der das Kind übergeben werden soll, Inhaftierung oder Tod dieser Person, in dem Fall, dass der Mitgliedstaat, in den das Kind zurückgebracht werden soll, nach Ergehen der Entscheidung Kriegsgebiet geworden ist, oder bei Versagung der Vollstreckung einer Entscheidung, die nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem die Vollstreckung erwirkt werden soll, keinerlei vollstreckbaren Inhalt besitzt und auch nicht entsprechend angepasst werden kann.
- (64)Um die Person, gegen die die Vollstreckung bewirkt werden soll, über die Vollstreckung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung zu unterrichten, sollte die gemäß dieser Verordnung ausgestellte Bescheinigung – erforderlichenfalls zusammen mit der Entscheidung – dieser Person innerhalb einer angemessenen Frist vor der ersten Vollstreckungsmaßnahme zugestellt werden. In diesem Zusammenhang sollte als erste Vollstreckungsmaßnahme die erste Vollstreckungsmaßnahme nach einer solchen Zustellung gelten. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs hat die Partei, gegen die um Vollstreckung ersucht wird, ein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf, der die Möglichkeit der Einleitung eines Verfahrens einschließt, mit dem die Vollstreckbarkeit der Entscheidung vor dem tatsächlichen Beginn der Vollstreckung angefochten wird.
- (65)In Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung betrifft die Vollstreckung stets ein Kind und in vielen Fällen die Übergabe eines Kindes an eine andere Person als die, bei der sich das Kind zu diesem Zeitpunkt aufhält, und/oder die Verbringung des Kindes in einen anderen Mitgliedstaat. Das Hauptziel sollte somit darin bestehen, das Recht des Antragstellers darauf, dass grundsätzlich eine Entscheidung auch in grenzüberschreitenden Fällen innerhalb der Union – erforderlichenfalls auch durch Zwangsmaßnahmen – möglichst rasch ausgeführt wird, und die Notwendigkeit, ein Kind nur in unvermeidlichen Fällen derartigen möglicherweise traumatisierenden Zwangsvollstreckungsmaßnahmen auszusetzen, miteinander in Einklang zu bringen. Diese Abwägung sollte von den für die Vollstreckung zuständigen Behörden und den Gerichten in jedem Mitgliedstaat in Anbetracht jedes Einzelfalls vorgenommen werden.
- (66)Mit dieser Verordnung sollen in allen Mitgliedstaaten gleiche Bedingungen für die grenzüberschreitende Vollstreckung von Entscheidungen in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung geschaffen werden. In einer Reihe von Mitgliedstaaten sind diese Entscheidungen bereits vollstreckbar, selbst wenn sie noch angefochten werden können oder bereits angefochten wurden. In anderen Mitgliedstaaten ist nur eine rechtskräftige Entscheidung, gegen die kein ordentlicher Rechtsbehelf mehr eingelegt werden kann, vollstreckbar. Um dringenden Fällen Rechnung zu tragen, ist daher in dieser Verordnung vorgesehen, dass bestimmte Entscheidungen in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung vom Gericht des Ursprungsmitgliedstaats für vorläufig vollstreckbar erklärt werden könnten, selbst wenn sie noch angefochten werden können, nämlich Entscheidungen, in denen die Rückgabe des Kindes nach dem Haager Übereinkommen von 1980 angeordnet wird, und Entscheidungen, die das Umgangsrecht gewähren.
- (67)In Vollstreckungsverfahren, die Kinder betreffen, müssen die für die Vollstreckung zuständigen Behörden oder die Gerichte jedoch schnell auf wesentliche Veränderungen der Umstände reagieren können, mit denen sie in der Vollstreckungsphase konfrontiert werden und die unter anderem in der Anfechtung der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat, im Verlust der Vollstreckbarkeit der Entscheidung und in Hindernissen oder Notfällen bestehen können. Daher sollten die Vollstreckungsverfahren auf Antrag oder von Amts wegen seitens der Behörde oder des Gerichts ausgesetzt werden, wenn die Vollstreckbarkeit der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat ausgesetzt wird. Die Behörde oder das Gericht, die/das für die Vollstreckung zuständig ist, sollte jedoch nicht verpflichtet sein, aktiv zu ermitteln, ob die Vollstreckbarkeit inzwischen infolge eines Rechtsbehelfs oder auf andere Weise im Ursprungsmitgliedstaat ausgesetzt wurde, wenn nichts auf diese Möglichkeit hindeutet. Außerdem sollte die Aussetzung oder Versagung der Vollstreckung im Vollstreckungsmitgliedstaat auf Antrag möglich sein und, auch wenn einer oder mehrere der in dieser Verordnung vorgesehenen und zugelassenen Gründe vorliegen, im Ermessen der für die Vollstreckung zuständigen Behörde oder des Gerichts liegen.
- (68)Kann die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat immer noch angefochten werden und ist die Frist für die Einlegung eines ordentlichen Rechtsbehelfs noch nicht abgelaufen, so sollte es im Ermessen der für die Vollstreckung zuständigen Behörde oder des Gerichts im Vollstreckungsmitgliedstaat liegen, das Vollstreckungsverfahren auf Antrag auszusetzen. In diesen Fällen kann die Frist genau angegeben werden, innerhalb deren im Ursprungsmitgliedstaat ein Rechtsbehelf einzulegen ist, um die Aussetzung des Vollstreckungsverfahrens zu erreichen oder aufrechtzuerhalten. Die genaue Angabe einer Frist sollte nur Wirkung für die Aussetzung des Vollstreckungsverfahrens entfalten und die Frist für die Einlegung eines Rechtsbehelfs gemäß den Verfahrensvorschriften des Ursprungsmitgliedstaats nicht berühren.
- (69)In Ausnahmefällen sollte es für die für die Vollstreckung zuständige Behörde oder das Gericht möglich sein, das Vollstreckungsverfahren aussetzen, wenn die Vollstreckung aufgrund – nach Ergehen der Entscheidung aufgetretener – vorübergehender Hindernisse oder aufgrund anderer wesentlicher Änderungen der Umstände für das Kind die schwerwiegende Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens mit sich bringen würde. Die Vollstreckung sollte wieder aufgenommen werden, sobald die schwerwiegende Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens nicht mehr besteht. Bleibt diese jedoch bestehen, so sollten vor einer Versagung der Vollstreckung alle geeigneten Schritte im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften und Verfahren, gegebenenfalls auch mit Unterstützung anderer einschlägiger Fachkräfte wie Sozialarbeiter oder Kinderpsychologen, unternommen werden, um zu versuchen, die Durchführung der Entscheidung sicherzustellen. Insbesondere sollte die für die Vollstreckung zuständigen Behörde oder das Gericht im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften und Verfahren versuchen, jegliche Hindernisse infolge veränderter Umstände zu überwinden, wie beispielsweise das offensichtliche Widersetzen des Kindes, der erst nach der Entscheidung geäußert wurde, jedoch so stark ist, dass es der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind gleichkäme, ihn außer Acht zu lassen.
- (70)In einem Mitgliedstaat vollstreckbare öffentliche Urkunden und Vereinbarungen zwischen den Parteien über die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und Ehescheidung, die in einem Mitgliedstaat rechtsverbindliche Wirkung haben, sollten für die Zwecke der Anwendung der Vorschriften über die Anerkennung Entscheidungen gleichgestellt werden. In einem Mitgliedstaat vollstreckbare öffentliche Urkunden und Vereinbarungen zwischen den Parteien in Sachen der elterlichen Verantwortung sollten für die Zwecke der Anwendung der Vorschriften über die Anerkennung und Vollstreckung Entscheidungen gleichgestellt werden.
- (71)Obwohl die in dieser Verordnung vorgesehene Verpflichtung, dem Kind Gelegenheit zur Meinungsäußerung zu geben, nicht für öffentliche Urkunden und Vereinbarungen gelten sollte, sollte das Recht des Kindes auf Meinungsäußerung nach Artikel 24 der Charta und nach Artikel 12 des in nationale Rechtsvorschriften und Verfahren umgesetzten VN-Kinderrechtsübereinkommens weiter Anwendung finden. Der Umstand, dass dem Kind keine Gelegenheit zur Meinungsäußerung gegeben wurde, sollte nicht automatisch einen Grund für die Versagung der Anerkennung und der Vollstreckung von öffentlichen Urkunden und Vereinbarungen in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung darstellen.
- (72)Für Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung sollten in allen Mitgliedstaaten Zentrale Behörden benannt werden. Die Mitgliedstaaten sollten in Erwägung ziehen, für diese Verordnung dieselbe Zentrale Behörde zu benennen, die für die Haager Übereinkommen von 1980 und 1996 benannt wurde. Die Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass die Zentralen Behörden über ausreichende finanzielle und personelle Ressourcen verfügen, um die ihnen mit dieser Verordnung übertragenen Aufgaben erfüllen zu können.
- (73)Die Bestimmungen dieser Verordnung über die Zusammenarbeit bei Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung sollten nicht für die Bearbeitung von Rückgabeanträgen gemäß dem Haager Übereinkommen von 1980 gelten, die gemäß Artikel 19 des Übereinkommens und der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs keine Hauptsacheverfahren betreffend die elterliche Verantwortung darstellen. Die Anwendung des Haager Übereinkommens von 1980 sollte jedoch durch die Bestimmungen dieser Verordnung über internationale Kindesentführung und durch das Kapitel dieser Verordnung über die Anerkennung und Vollstreckung und das Kapitel über die allgemeinen Bestimmungen ergänzt werden.
- (74)Die zentralen Behörden sollten die Gerichte und die zuständigen Behörden und in bestimmten Fällen auch die Träger der elterlichen Verantwortung in grenzüberschreitenden Verfahren unterstützen und sowohl in allgemeinen Angelegenheiten als auch in besonderen Fällen, auch zur Förderung der gütlichen Beilegung von Familienstreitigkeiten, zusammenarbeiten.
- (75)Außer in dringenden Fällen und unbeschadet der im Rahmen dieser Verordnung zulässigen direkten Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Gerichten können Ersuchen – gemäß dieser Verordnung – bezüglich Zusammenarbeit in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung von Gerichten und zuständigen Behörden ausgehen und sollten der Zentralen Behörde des Mitgliedstaats des ersuchenden Gerichts oder der zuständigen Behörde vorgelegt werden. Bestimmte Ersuchen könnten auch vom Träger der elterlichen Verantwortung ausgehen und der Zentralen Behörde des gewöhnlichen Aufenthalts des Antragstellers vorgelegt werden. In diesen Ersuchen sollte um Informationen und Unterstützung für die Träger der elterlichen Verantwortung gebeten werden, die die Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung, insbesondere über das Umgangsrecht und die Rückgabe des Kindes, im Gebiet der ersuchten Zentralen Behörde erwirken wollen, erforderlichenfalls auch um Informationen darüber, wie Prozesskostenhilfe erlangt werden kann; darin sollte darum ersucht werden, durch Mediation oder andere Mittel der alternativen Streitbeilegung eine Vereinbarung zwischen den Trägern der elterlichen Verantwortung zu erleichtern, und das Gericht oder die zuständige Behörde sollten ersucht werden, zu prüfen, ob Maßnahmen zum Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes getroffen werden müssen.
- (76)Ein Beispiel für einen dringenden Fall, der eine direkte erste Kontaktaufnahme zum Gericht oder zur zuständigen Behörde des ersuchten Mitgliedstaats erlaubt, ist ein direktes Ersuchen an die zuständige Behörde eines anderen Mitgliedstaats, wonach geprüft werden soll, ob Maßnahmen zum Schutz des Kindes getroffen werden müssen, wenn vermutet wird, dass für das Kind eine unmittelbare Gefahr besteht. Die Verpflichtung, Ersuchen über die Zentrale Behörde zu übermitteln, sollte nur für erste Ersuchen gelten; jede anschließende Kommunikation mit dem Gericht, der zuständigen Behörde oder dem Antragsteller könnte auch direkt erfolgen.
- (77)Die Zentralen Behörden oder zuständigen Behörden sollten nicht daran gehindert werden, Vereinbarungen oder Abmachungen mit den Zentralen Behörden oder zuständigen Behörden eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten zu treffen oder beizubehalten, wonach eine direkte Kommunikation in ihren gegenseitigen Beziehungen zulässig ist. Die zuständigen Behörden sollten ihre Zentralen Behörden über derartige Vereinbarungen oder Abmachungen unterrichten.
- (78)In bestimmten Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung, die in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen, sollten die Zentralen Behörden bei der Unterstützung der Gerichte und zuständigen Behörden sowie der Träger der elterlichen Verantwortung zusammenarbeiten. Zu der Unterstützung durch die ersuchte Zentrale Behörde sollte insbesondere gehören, das Kind direkt oder über Gerichte, zuständige Behörden oder andere Stellen ausfindig zu machen, wenn dies erforderlich ist, um einem Ersuchen nach dieser Verordnung nachzukommen, und alle anderen Informationen bereitzustellen, die für das Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung sachdienlich sind.
- (79)Die ersuchten Zentralen Behörden sollten außerdem alle geeigneten Schritte unternehmen, um erforderlichenfalls die Kommunikation zwischen den Gerichten zu erleichtern, und zwar insbesondere in Bezug auf die Anwendung der Vorschriften über die Übertragung der Zuständigkeit, über einstweilige Maßnahmen einschließlich Schutzmaßnahmen in dringenden Fällen, insbesondere wenn sie im Zusammenhang mit internationaler Kindesentführung darauf abzielen, das Kind vor einer schwerwiegenden Gefahr im Sinne des Artikels 13 Absatz 1 Buchstabe b des Haager Übereinkommens von 1980 zu schützen, sowie über die Rechtshängigkeit und abhängige Verfahren. Zu diesem Zweck ist es möglich, dass in bestimmten Fällen die Bereitstellung von Informationen für eine weitere direkte Kommunikation, beispielsweise die Bereitstellung von Kontaktangaben von Kinderschutzbehörden, der dem Netz angeschlossenen Richter oder des zuständigen Gerichts, ausreicht.
- (80)Um die Ziele dieser Verordnung zu erreichen, sollte ein ersuchendes Gericht oder eine zuständige Behörde unbeschadet der für sie geltenden nationalen verfahrensrechtlichen Erfordernisse frei zwischen den verschiedenen Kanälen wählen können, die ihnen zur Verfügung stehen, um die erforderlichen Informationen zu erhalten.
- (81)Werden in einem begründeten Ersuchen ein Bericht oder eine andere in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung relevante Informationen im ersuchenden Mitgliedstaat angefordert, so sollten die Zentralen Behörden – direkt oder über die Gerichte –, zuständigen Behörden oder anderen Stellen des ersuchten Mitgliedstaats diesem Ersuchen nachkommen. Das Ersuchen sollte insbesondere eine Beschreibung der Verfahren, für das die Informationen benötigt werden, sowie den Sachverhalt enthalten, der diesen Verfahren zugrunde liegt.
- (82)Hat ein Gericht eines Mitgliedstaats bereits eine Entscheidung in einem Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung getroffen oder steht kurz davor, eine solche Entscheidung zu treffen, und soll diese Entscheidung in einem anderen Mitgliedstaat umgesetzt werden, so sollte das Gericht die Gerichte oder zuständigen Behörden des anderen Mitgliedstaats auffordern können, bei der Umsetzung der Entscheidung Unterstützung zu leisten. Dies sollte beispielsweise für Entscheidungen gelten, mit denen das Recht auf begleiteten Umgang gewährt wird, das in einem anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat des Gerichts ausgeübt werden soll, das das Umgangsrecht gewährt hat, oder für Entscheidungen, die sonstige Begleitmaßnahmen des Gerichts oder der zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem die Entscheidung umzusetzen ist, nach sich ziehen.
- (83)Zieht ein Gericht oder eine zuständige Behörde eines Mitgliedstaats die Unterbringung eines Kindes in einem anderen Mitgliedstaat in Erwägung, so sollte vor der Unterbringung ein Konsultationsverfahren zur Einholung der Zustimmung durchgeführt werden. Vor der Anordnung oder Veranlassung der Unterbringung sollte das Gericht oder die anordnende Behörde die Zustimmung der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats erhalten, in dem das Kind untergebracht werden würde. Außerdem haben die Mitgliedstaaten im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs für die gemäß der Verordnung einzuholende Zustimmung klare Regeln und Verfahren vorzusehen, um Rechtssicherheit und Schnelligkeit zu gewährleisten. Die Verfahren sollten unter anderem der zuständigen Behörde ermöglichen, ihre Zustimmung rasch zu erteilen oder zu verweigern. Geht innerhalb von drei Monaten keine Antwort ein, so sollte dies nicht als Zustimmung aufgefasst werden, und ohne Zustimmung sollte die Unterbringung nicht erfolgen. Das Ersuchen um Zustimmung sollte zumindest einen Bericht über das Kind zusammen mit den Gründen für die geplante Unterbringung oder Betreuung, die voraussichtliche Dauer der Unterbringung, Informationen über jede in Betracht gezogene Finanzierung enthalten, dazu noch alle anderen Informationen, die der ersuchte Mitgliedstaat als relevant erachten könnte, wie die geplante Überwachung der Maßnahme, Regelungen für den Kontakt zu den Eltern, anderen Verwandten oder anderen Personen, zu denen das Kind eine enge Beziehung hat, oder die Gründe, aus denen ein derartiger Kontakt in Anbetracht des Artikels 8 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten nicht in Erwägung gezogen wird. Wurde die Zustimmung zur Unterbringung für eine bestimmte Dauer erteilt, so sollte diese Zustimmung in Anbetracht der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht für Entscheidungen oder Regelungen gelten, mit denen die Dauer der Unterbringung verlängert wird. Unter diesen Umständen sollte ein neues Ersuchen um Zustimmung ergehen.
- (84)Wird im Mitgliedstaat des gewöhnlichen Aufenthalts eines Kindes eine Entscheidung in Erwägung gezogen, das Kind in einem Heim oder in Pflege unterzubringen, so sollte das Gericht in der frühesten Verfahrensphase geeignete Maßnahmen in Betracht ziehen, mit denen die Rechte des Kindes gewahrt werden, insbesondere das Recht, seine Identität und das Recht auf Kontakt zu den Eltern oder gegebenenfalls zu anderen Verwandten im Einklang mit den Artikeln 8, 9 und 20 des VN-Kinderrechtsübereinkommens zu behalten. Ist dem Gericht bekannt, dass das Kind eine enge Bindung zu einem anderen Mitgliedstaat hat, könnten die geeigneten Maßnahmen insbesondere eine Benachrichtigung der konsularischen Vertretung dieses Mitgliedstaats umfassen, wenn Artikel 37 Buchstabe b des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen gilt. Dieses Wissen könnte auch aufgrund von Informationen der Zentralen Behörde dieses anderen Mitgliedstaats vorhanden sein. Im Rahmen dieser geeigneten Maßnahmen könnte auch ein Ersuchen gemäß dieser Verordnung an diesen Mitgliedstaat gerichtet werden, in dem um Informationen über einen Elternteil, einen Verwandten oder andere Personen gebeten wird, die geeignet sein könnten, für das Kind zu sorgen. Je nach den Umständen kann das Gericht außerdem um Informationen über Verfahren und Entscheidungen betreffend einen Elternteil oder Geschwister des Kindes ersuchen. Wichtigster Gesichtspunkt sollte nach wie vor das Kindeswohl sein. Insbesondere sollte keine dieser Bestimmungen die nationalen Rechtsvorschriften oder Verfahren für eine etwaige Unterbringungsentscheidung berühren, die ein Gericht oder eine zuständige Behörde in dem Mitgliedstaat erlassen hat, der diese Unterbringung in Betracht zieht. Insbesondere wären die Behörden des Mitgliedstaats, der die gerichtliche Zuständigkeit besitzt, durch diese Bestimmungen nicht verpflichtet, das Kind in einem anderen Mitgliedstaat unterzubringen oder diesen Mitgliedstaat weiter an Unterbringungsentscheidungen oder -verfahren zu beteiligen.
- (85)Da in einem Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung Zeit ein entscheidender Faktor ist, sollten die Informationen, die nach den Bestimmungen dieser Verordnung über Zusammenarbeit – einschließlich über die Erhebung und den Austausch von Informationen in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung – erforderlich sind, und die Entscheidung, in der die Zustimmung zur Unterbringung eines Kindes in einem anderen Mitgliedstaat gewährt oder verweigert wird, dem ersuchenden Mitgliedstaat von der Zentralen Behörde des ersuchten Mitgliedstaats spätestens drei Monate nach Eingang des Ersuchens übermittelt werden, es sei denn, dass dies aufgrund außergewöhnlicher Umstände nicht möglich ist. In diesem Zusammenhang ist die zuständige nationale Behörde auch verpflichtet, die Informationen zur Verfügung zu stellen oder der ersuchten Zentralen Behörde zu erklären, warum sie dazu nicht in der Lage ist, und zwar so rechtzeitig, dass diese imstande ist, diesen Zeitrahmen einzuhalten. Dennoch sollten alle beteiligten zuständigen Behörden sich darum bemühen, noch vor Ablauf dieser Höchstfrist zu antworten.
- (86)Der Umstand, dass die Einberufung der Zusammenkünfte der Zentralen Behörden insbesondere durch die Kommission im Rahmen des Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen im Einklang mit der Entscheidung 2001/470/EG erfolgt, steht dem nicht entgegen, dass andere Zusammenkünfte der Zentralen Behörden abgehalten werden.
- (87)Wenn in dieser Verordnung nichts anderes vorgesehen ist, sollte die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates für die in Anwendung der vorliegenden Verordnung erfolgende Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Mitgliedstaaten gelten. Um die Erledigung eines Ersuchens nach dieser Verordnung nicht aufs Spiel zu setzen, das beispielsweise die Rückgabe des Kindes gemäß dem Haager Übereinkommen von 1980 oder die gerichtliche Prüfung der Frage zum Gegenstand hat, ob Maßnahmen zum Schutz der Person und des Vermögens des Kindes zu treffen sind, darf insbesondere die Inkenntnissetzung der betroffenen Person gemäß Artikel 14 Absätze 1 bis 4 der Verordnung (EU) 2016/679 – etwa von für das Auffinden des Kindes erforderlichen Angaben – aufgeschoben werden, bis das Ersuchen, für das diese Informationen erforderlich sind, erledigt ist. Diese Ausnahme steht im Einklang mit Artikel 14 Absatz 5 sowie Artikel 23 Absatz 1 Buchstaben f, g, i und j der Verordnung (EU) 2016/679. Dies sollte einen Vermittler, ein Gericht oder eine zuständige Behörde, dem/der die Informationen übermittelt wurden, nicht daran hindern, Maßnahmen zum Schutz des Kindes zu ergreifen oder derartige Maßnahmen zu veranlassen, wenn die Gefahr besteht, dass das Kind Schaden nehmen könnte, oder es Anhaltspunkte für eine derartige Gefahr gibt.
- (88)In Fällen, in denen die Offenlegung oder Bestätigung der einschlägigen Informationen die Gesundheit, Sicherheit oder Freiheit des Kindes oder einer anderen Person in Gefahr gebracht werden könnte, wie beispielsweise in Fällen häuslicher Gewalt, in denen ein Gericht angeordnet hat, dass die neue Anschrift des Kindes dem Antragsteller nicht bekanntgemacht werden darf, wird in dieser Verordnung ein sorgsam austariertes Gleichgewicht angestrebt. Diese Verordnung sollte zwar vorsehen, dass eine Zentrale Behörde, ein Gericht oder eine zuständige Behörde dem Antragsteller oder einer dritten Partei Informationen, die für die Zwecke dieser Verordnung zusammengestellt oder weitergegeben wurden, nicht offenlegen oder bestätigen sollte, wenn ihres/seines Erachtens durch eine solche Offenlegung oder Bestätigung die Gesundheit, Sicherheit oder Freiheit des Kindes oder einer anderen Person in Gefahr gebracht würde, jedoch sollte die Verordnung betonen, dass dies nicht der Erhebung und Weitergabe von Informationen durch die Zentralen Behörden, Gerichte und zuständigen Behörden und zwischen ihnen entgegenstehen sollte, insofern diese zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aufgrund dieser Verordnung erforderlich sind. Das bedeutet, dass es möglich sein sollte, einen Antrag nach dieser Verordnung zu bearbeiten, ohne dass dem Antragsteller alle zu seiner Bearbeitung erforderlichen Informationen zur Verfügung gestellt werden, wenn dies möglich und angezeigt ist. Wenn es im nationalen Recht vorgesehen ist, könnte beispielsweise eine Zentrale Behörde Verfahren im Namen eines Antragstellers einleiten, ohne dem Antragsteller die Informationen über den Aufenthaltsort des Kindes zur Verfügung zu stellen. In Fällen, in denen schon das Ersuchen selbst die Gesundheit, Sicherheit oder Freiheit des Kindes oder einer anderen Person in Gefahr bringen könnte, sollte nach dieser Verordnung keine Verpflichtung zu einem derartigen Ersuchen bestehen.
- (89)Um sicherzustellen, dass die im Zusammenhang mit der Anwendung der Kapitel III und IV dieser Verordnung zu verwendenden Bescheinigungen stets auf dem neuesten Stand sind, sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, gemäß Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) Rechtsakte hinsichtlich Änderungen der Anhänge I bis IX dieser Verordnung zu erlassen. Es ist von besonderer Bedeutung, dass die Kommission im Zuge ihrer Vorbereitungsarbeit angemessene Konsultationen, auch auf der Ebene von Sachverständigen, durchführt, die mit den Grundsätzen im Einklang stehen, die in der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung niedergelegt wurden. Um insbesondere für eine gleichberechtigte Beteiligung an der Ausarbeitung der delegierten Rechtsakte zu sorgen, erhält der Rat alle Dokumente zur gleichen Zeit wie die Sachverständigen der Mitgliedstaaten, und ihre Sachverständigen haben systematisch Zugang zu den Sitzungen der Sachverständigengruppen der Kommission, die mit der Ausarbeitung der delegierten Rechtsakte befasst sind.
- (90)Die Kontinuität zwischen dem auf der Grundlage von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union ausgearbeitete Übereinkommen von 1998 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen (im Folgenden Brüssel-II-Übereinkommen), der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000, der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 und der vorliegenden Verordnung sollte gewährleistet werden, soweit die Bestimmungen unverändert geblieben sind, und zu diesem Zweck sollten Übergangsbestimmungen festgelegt werden. Die gleiche Kontinuitätsanforderung gilt auch für die Auslegung – auch durch den Gerichtshof – des Brüssel-II- Übereinkommens und der Verordnungen (EG) Nr. 1347/2000 und (EG) Nr. 2201/2003.
- (91)Es sei darauf hingewiesen, dass für Abkommen mit einem oder mehreren Drittstaaten, die von einem Mitgliedstaat vor dem Zeitpunkt seines Beitritts zur Union geschlossen wurden, Artikel 351 AEUV Anwendung findet.
- (92)Das für Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung geltende Recht sollte im Einklang mit den Bestimmungen des Kapitels III des Haager Übereinkommens von 1996 festgelegt werden. Bei der Anwendung dieses Übereinkommens in Verfahren vor einem Gericht eines Mitgliedstaats, in dem diese Verordnung gilt, sollte die Bezugnahme in Artikel 15 Absatz 1 dieses Übereinkommens auf die Bestimmungen des Kapitels II dieses Übereinkommens als Bezugnahme auf die Bestimmungen dieser Verordnung verstanden werden.
- (93)Um eine ordnungsgemäße Anwendung dieser Verordnung sicherzustellen, sollte die Kommission deren Durchführung prüfen und gegebenenfalls die notwendigen Änderungen vorschlagen.
- (94)Die Kommission sollte die von den Mitgliedstaaten übermittelten Angaben veröffentlichen und aktualisieren.
- (95)Nach Artikel 3 und Artikel 4a Absatz 1 des dem Vertrag über die Europäische Union (EUV) und dem AEUV beigefügten Protokolls Nr. 21 über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts haben jene Mitgliedstaaten mitgeteilt, dass sie sich an der Annahme und Anwendung dieser Verordnung beteiligen möchten.
- (96)Nach den Artikeln 1 und 2 des dem EUV und dem AEUV beigefügten Protokolls Nr. 22 über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser Verordnung, die für Dänemark weder bindend noch ihm gegenüber anwendbar ist.
- (97)Der Europäische Datenschutzbeauftragte wurde gemäß Artikel 41 Absatz 2 Unterabsatz 2 und Artikel 46 Buchstabe d der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates angehört und hat am 15. Februar 2018 eine Stellungnahme abgegeben.
- (98)Da die Ziele dieser Verordnung aufgrund der Unterschiede zwischen den nationalen Vorschriften über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können, sondern wegen der unmittelbaren Geltung und Verbindlichkeit dieser Verordnung besser auf Unionsebene zu erreichen sind, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 EUV niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Verwirklichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus -
HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
Quelle: EURLEX
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